Diez

Diezer Sportmentaltrainer: Jogis Jungs brauchen nun Selbstvertrauen

aktualisiert: 15.06.2018, 18:18 Uhr

Die Fußballweltmeisterschaft hat begonnen und alle fragen sich, wie weit es die deutsche Nationalmannschaft dieses Mal schaffen wird. Michael von Kunhardt ist Sportmentaltrainer. Im Gespräch mit unserer Zeitung widmet sich der Experte aus Diez elf Fragen rund um das Thema Selbstvertrauen und Fußball. Denn da können Jogis Jungs jetzt noch ein bisschen aufholen, sagt von Kunhardt.

Experte Michael von Kunhardt war vergangenen Mittwoch im SAT-1-Frühstücksfernsehen bei Marlene Lufen zu Gast. Foto: privat

Experte Michael von Kunhardt war vergangenen Mittwoch im SAT-1-Frühstücksfernsehen bei Marlene Lufen zu Gast.
Foto: privat
 

1. Herr von Kunhardt, Sie scheinen der Mann zu sein, den man als Sportler gern an seiner Seite haben möchte. Sie haben schon einigen Spitzensportlern zu Meistertiteln verholfen. Würden Sie das mit Jogis Jungs auch schaffen?

Das Mentaltraining ist keine Erfolgsgarantie. Aber es erhöht definitiv die Wahrscheinlichkeit, erfolgreich zu sein. Ich bin mir sicher, dass meine Methoden für die Mannschaft hilfreich wären.

2. Wie würde das Sportmental-Training für die deutsche Fußballmannschaft aussehen?

Ich würde die Mannschaft ganz intensiv mit ihren Stärken in Kontakt bringen. Wichtig ist es dabei, die Spieler immer wieder an den großen Erfolg vor vier Jahren zu erinnern. Man muss den Jungs auch die Frage stellen, warum die Gegner vor ihnen Respekt haben. Denn da gibt es viele Gründe. Aber auch eine konstruktive Feedbackkette ist unverzichtbar. Dabei sollen sich die Spieler gegenseitig fragen, wie sie sich verbessern könnten. Damit wird die eigene Reflexion angeregt. Der Chancenblick und die Lösungsorientierung sind ebenfalls elementare Aspekte, die gestärkt werden müssen. Und das funktioniert.

3. Kennen Sie Beispiele, bei denen der Teamgeist einer Mannschaft nicht funktioniert hat?

Da gibt es im Fußball einige Beispiele. Das vergangene Champions-League-Finale zwischen Real Madrid und dem FC Liverpool gehört beispielsweise dazu. Nach den Patzern von Torwart Loris Karius saß er minutenlang allein vor seinem Tor. Keiner ging zu ihm. Das ist natürlich ein schlechter Charakter einer Mannschaft. Das geht so nicht und das würde ich anders einfordern.

4. Ein Aspekt des Trainings ist es, das Selbstvertrauen zu stärken. Hat das die deutsche Elf überhaupt „nötig“?

Das ist eine gute Frage. Sie sollte es nicht nötig haben, hat sie aber aktuell. Nicht nur wegen des Theaters um Mesut Özil und Ilkay Gündogan aufgrund ihres Besuches beim türkischen Präsidenten. Auch die letzten Spiele waren schlecht, Manuel Neuer wird sich nach seiner Verletzung noch reinfinden müssen. Es herrscht innerhalb der Mannschaft nicht so das Urvertrauen wie in den letzten Jahren. Aber ich bin guter Dinge, dass die Mannschaft im Laufe des Trainings ihr früheres, starkes Selbstvertrauen wiedererlangt. Zumindest, wenn es intern richtig bearbeitet wird. Dazu gibt es einen guten Satz: winners focus on winning, losers focus on winners.

5. Körperliche Fitness auf der einen Seite, das Ego auf der anderen Seite: Wie wichtig ist mentale Stärke im Fußball?

Mentale Stärke ist im Fußball unverzichtbar. Gerade in der Spitze. Denn in diesem Bereich gibt es ein unfassbares Potenzial, mit dem man arbeiten kann. Selbstvertrauen ist dabei ganz klar die wichtigste aller Siegermentalitäten.

6. Ist Mentaltraining ein fester Bestandteil im Fußball? Oder ist das eher ein „i-Tüpfelchen“, weil es im Fußball eher auf körperliche Fitness ankommt?

In der Leistungsspitze ist es mittlerweile fester Bestandteil. Also in den Nationalmannschaften gehört Mentaltraining dazu. Aber schon in der Bundesliga fängt es an zu bröckeln. In der 2. und 3. Liga wird es viel zu wenig angewendet. Fußball besteht aus drei Säulen: das Fußballspielen an sich, den spielerischen Fertigkeiten und den Spielzügen, der körperliche Bereich und eben die mentale Stärke.

7. Zwei Methoden, die Sie Jogi sofort empfehlen würden …

Ich würde jeden Spieler und Trainer einen Vortrag halten lassen, darüber, was er in das Team einbringt und was er vom Team braucht. Das schafft Transparenz, stärkt das Selbstvertrauen, denn es ist zum Beispiel eine der größten Ängste, vor anderen zu sprechen. Weiterhin muss intern das Ziel ganz klar definiert werden. Das kann der WM-Titel oder jeweils ein erfolgreiches, nächstes Spiel sein.

8. Zwei Methoden, von denen Sie Jogi abraten würden …

Es gibt so viele Dinge, die die Spieler während der WM lassen sollten. Ich fokussiere mich lieber auf Dinge, die helfen könnten.

9. Können Sie als Sportmentaltrainer unbefangen die WM gucken? Oder analysieren Sie bei den Spielen immer die mentale Stärke der Mannschaften?

Beides. Mein Beruf schwingt natürlich immer mit. Aber ich habe trotzdem ganz viel Spaß dabei und freue mich auf die WM.

10. Wo schauen Sie die WM-Spiele?

Unterschiedlich. Mal zu Hause mit der Familie, mal beim Public Viewing mit den Sportkumpels.

11. Sie sind selbst Sportler – wie achten Sie auf Ihre mentale Power?

Das ist jetzt nicht nur ein Spruch, ich bin dankbar auf der Welt zu sein. Ich fokussiere mich auf positive Dinge und überlege mir jeden Morgen, auf was ich mich freuen kann. Und da gibt es immer etwas. Dagegen halte ich mich von destruktiver Negativität fern. Bei einer positiven Lebenshaltung bekommt man viel zurück. Das gibt Kraft und Energie.

Die Interviewfragen stellte Verena Hallermann